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Interview Ausschnitt: Axel Stockburger

By Johanna Schaffer | Published: February 20, 2011

JS:   Du hast erwähnt, dass Du mit dem Feld des artistic research als einem institutionellen Feld über den Weg nach London zu tun bekommen hast.

AXEL STOCKBURGER:   Das ist alles sehr zufällig geschehen. Meine damalige Lebensgefährtin wollte selbst einen PhD machen, aber in einem theoretischen Feld – sie hat sich mit Informationsarchitektur und information sciences beschäftigt — und wir haben einen recht intensiven Austausch gehabt, über das was sie tut und über Forschung generell. Auf einem Barbecue traf ich dann jemanden, der mir erzählte, er arbeite gerade an einem artistic PhD, mit einem Stipendium, und wie super das sei, weil er jetzt lesen kann, wozu er Lust hat, und zudem seine künstlerische Arbeit macht. Ich dachte, das ist ja wie Schlaraffenland, das möchte ich auch machen. Und dann erzählte er auch noch, in eineinhalb Wochen ist die Einreichfrist, gib doch was ab. Das hab ich gemacht, und dann bin ich tatsächlich zum Gespräch eingeladen worden. Während des Gesprächs bemerkte ich, dass tatsächlich auch ein Interesse an meiner künstlerischen Arbeit bestand. Und dann habe ich mich darauf eingelassen.

Das war dann zum Teil höchst frustrierend, weil genau die Bürokratie, die Du eingangs beschrieben hast, dort auch gegriffen hat, und zwar ziemlich bald. Ich hatte während dieser Forschungsarbeit fast ein Jahr reine Vorbereitungszeit, um den Antrag zu schreiben und den nächsten Schritt zu machen. Daran war auch mein Geld gekoppelt, d.h. ich hatte in diesem Jahr Jahr etwa 10 Termine mit meinem Supervisor, nur um einen geklärten Antrag erneut zu schreiben, bezahlter Weise. Ein ganzes Jahr. Und der ist mir immer wieder zurück gegeben worden. Die größte Qual daran war die Frage, wie ich meiner künstlerischen Arbeit innerhalb dieses Projekts genug Freiraum verschaffen könnte –  wie also einen Freiraum eröffnen, der undefiniert ist, wo es noch ein Offenes,  zu Tuendes gibt? Das widersprach ja auch gleichzeitig der Struktur des zu schreibenden Phds, der Kapitelordnung usw.

Aber nachdem der Antrag geschrieben war, hatte ich dann wieder größere Freiheit  und das war auch ein toller Prozess. Ich hatte mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Feldern künstlerische Auseinandersetzungen, hatte aber auch mit Leuten, die aus anderen Bereichen kamen, mit  Kulturtheoretiker_innen, Architekt_innen zu tun. Es war ein sehr spannender Zeitraum, und es gab Geld dafür, von dem ich auch gelebt habe.

Das Stipendium wurde von der London University bzw dem London Consortium ausgegeben, und ich habe 2002 begonnen und war 2006 fertig. Für drei der vier Jahre hatte ich Funding und war am LCC, dem London College of Communication, dort war mein supervisor, Alan Carlyle. Das LCC hat eine lange Tradition von eher angewandter Kunst, d.h. sie haben sehr viel mit Buchdruck und Typografie usw gemacht. Aber es gab eben auch eine Gruppe von Leuten rund um Carlyle, der dort auch jetzt noch eine  Forschungsgruppe hat, die sich sehr intensiv mit Soundart und Mediaculture auseinandersetzten. Wegen dieser einen Person bin ich dort hin gekommen, und es war unglaublich spannend, mit ihm dort zu arbeiten. Und für mich war diese Art zu Arbeiten ja auch etwas N eues…

JS:   Du hast aber auch einmal erzählt, dass du Dich zwischendrin entschieden hast, das wird nicht ein arts based sondern ein wissenschaftlicher PhD.

AXEL STOCKBURGER:   Ja, dazu muss ich jetzt aber in Bezug auf das Thema kurz ins Detail gehen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich einige Jahre künstlerische Arbeiten gemacht, die in verschiedener Weise mit Menschen zu tun hatten, die Computerspiele spielen. Mir ging es meist um die spezifische Räumlichkeit die in solchen Spielen entsteht – es gibt einerseits einen simulierten Raum , den man mit anderen teilt, andererseits den physischen Raum in dem man sich aufhält. Diese Differenz zwischen dem bewegten simulierten Raum und dem Realraum hat mich interessiert und auch während meines Studiums bei Peter Weibel eine Rolle gespielt. Mich hat auch dieses Bild von Menschen, die bewegungslos vor einem Gerät sitzen, sich aber tatsächlich im Kopf bewegen, fasziniert. Das war der Ausgangspunkt einiger meiner Arbeiten.

Dann hab ich gemerkt, es gibt andere Künstler_innen, die auch an diesem Medium Computerspiel interessiert sind, manche kritischer, andere weniger kritisch, aber es gab sozusagen eine Szene von Menschen, die begonnen hatte, Computerspiel als Medium zu untersuchen –so wie vielleicht Film in den 1970er Jahren für die Kunst von Bedeutung war. Interessant habe ich auch gefunden, dass das Thema von der Gegenwartskunst, zumindest um 2000, wirklich völlig abgelehnt wurde. Das war einfach Massenkultur, war völlig uninteressant. Es gab bestenfalls eine Diskussion um Gewaltdarstellungen, und wurde generell mit Kindern in Verbindung gebracht, jedenfalls hatte es nichts im Museum verloren usw… Auch das hat mich interessiert, weil das in der klassischen Kunstlogik vielleicht so ein Phänomen war wie die Comics zu Zeiten der Pop art, also etwas das als wirklich völlig außerhalb des Künstlerischen liegend beurteilt wurde. Dann hab ich viel darüber gelesen und diesen Antrag für das Forschungsprojekt geschrieben. In dem Antrag ging es darum, die spezifische Räumlichkeit, die im Spiel entsteht, zu anderen Formen von Raum, etwa Raumdarstellungen in der Bildenden Kunst oder im Film in Beziehung zu setzen. Mein Zugang kam also über Konzeptionen und Repräsentationen des Raumes. In der Zeit hat die Diskussion in den game studies – also in dem Forschungsfeld, das sich damals bildete – langsam begonnen zu akzeptieren, dass Räumlichkeit tatsächlich ein zentrales Moment in diesen Spielen ist.

Für mich war es sehr spannend zu sehen, wie eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem Medium beginnt. Es gab natürlich auch schon zehn Jahre davor Menschen, die Spiele und Computerspiele untersucht haben, aber es gab noch kein wirklich dezidiertes Feld, keine Sprache. Es gab zwei, drei Bücher über Räumlichkeit in diesen Spielen, aber die waren alle nur an ästhetischen Momenten interessiert, und nicht daran, Raum und Räumlichkeit auch als sozialen Prozess zu begreifen, also auch mit zu denken, was bedeutet es, wo gespielt wird, wer dort spielt… Raum wirklich als eine viel komplexere Logik zu verstehen. An dem Punkt sah ich eine Möglichkeit, auch wirklich an der Entstehung eines Forschungsfeldes teilzunehmen. Ich bin zu Konferenzen gefahren und hab mal geschaut – ich wollte einfach wissen, wie ist denn das wirklich, dieses Forschen, was tun denn die, wie geht denn das?

JS:   (lacht)

AXEL STOCKBURGER:   Ich hatte damit ja nicht wirklich was zu tun gehabt. Ich habe schon Theorie gelesen, aber ich war nie im wissenschaftlichen Feld unterwegs. Das war auch ein interessantes Spiel, ich hab mich da permanent wie ein Betrüger gefühlt. Ich bin  auf irgendwelche Konferenzen gefahren, habe mir immer gedacht, naja ernst nehmen werden die mich ja nicht wirklich, wenn ich da irgendwas sage. Aber dann wenn man das ein paar Mal macht, kommt man drauf, dass die alle mit Wasser waschen, und die Texte, die die Leute lesen, ähnliche sind, und wie das funktioniert mit dem Zitieren, bzw. dass dann sehr oft die gleichen Namen auftauchen. Und was man tut, wenn man jetzt auf einer Konferenz einen Vortrag hält oder ein Paper präsentiert, wo die Granden auch da sind. Dass man sie ein bisschen angreifen kann, aber nicht zu viel, also all diese Spiele, die die im akademischen Feld gespielt werden. Ich fand das interessant, weil ich das nicht kannte.

Und dann hab ich das ein bisschen gemacht, aber ich hab gemerkt, wie die Kunstproduktion in den Hintergrund tritt. Ich hab dann nicht mehr gewusst, wie meine Kunst auch vorkommen kann, wenn ich jetzt über andere Künstler_innen und deren Praxis schreibe, und die Behauptung aufstelle, dass sie bestimmte Momente des Räumlichen aufnehmen – wenn ich also versuche, meine Theorie mit Beispielen dieser Zugänge zu verstärken. Wie aber kann ich dann meine eigene Arbeit neutral oder mit einem Anspruch an eine gewisse Objektivität zu diesen anderen von mir beschriebenen künstlerischen Arbeiten in Beziehung setzen?

Und wird das nicht so, dass meine künstlerische Arbeit dann illustrativ wird, sich den Forschungen und der Theorie, die ich zu entwickeln versuche, unterordnen muss? Denn was ich zu entwickeln versucht habe ist eine Art Modell, wie man über diese Art Räumlichkeit sprechen kann, wie man sie sprachlich analysieren, oder zu fassen kriegen kann. Ich hatte das Gefühl, wenn ich jetzt beginne, diese Momente der Theorie mit künstlerischen Arbeiten zu bebildern, oder versuche, eine Arbeit zu machen, die das alles zusammenfasst, dann entsteht eine reine Illustration dieser Theorien. Das ist nicht spannend. Das wollte ich einfach nicht machen.Also habe ich das wieder auseinander genommen. Ich fand keinen Weg, Kunst zu produzieren, die sich dem entziehen könnte, wenn ich sie als Teil der theorethischen Arbeit platziert hätte. Das wäre dann einfach zu getrennt gewesen davon, worum es mir in meinem theoretischen Ansatz ging. An diesem Punkt habe ich beschlossen, den artistic-phd aufzugeben, und einen rein theoretischen Zugang zu wählen, also einen theoretischen PhD zu schreiben.

Ich hätte die Arbeit aber – und das ist wichtig und steht auch im Vorwort – nie produzieren können, wenn ich nicht die künstlerischen Arbeiten parallel dazu entwickelt hätte. Die wissenschaftliche Arbeit war also bei mir nicht denkbar ohne die künstlerische Praxis, aber meine künstlerische Praxis ist nicht in den Vordergrund gestellt worden. Es ist also genau umgekehrt, wie bei meiner normalen künstlerischen Arbeit, wo der Research in der Kunst aufgeht. In diesem Fall floß Fall die künstlerische Auseinandersetzung in die Theorie ein. Aber anders hätte ich meine Arbeit nicht ernst nehmen können. Ich hätte nicht ernsthaft meine künstlerischen Arbeiten analytisch bearbeiten können. Das muss jemand anderer machen. das kann ich nicht ohne sie anzugreifen oder zu Tode zu erklären.

JS:    Hast Du diese Arbeit dann auch ohne weiteres so abgeben können?

AXEL STOCKBURGER:    Das war schon ein kleinerer Kampf. Ich musste mit denen diskutieren, warum ich die Entscheidung für eine rein wissenschaftliche PhD Arbeit treffe. Dann hieß es, naja Du kannst das ja trotzdem irgendwie hin biegen. Ich sagte, nein, ich kann das selber nicht ernst nehmen, wenn ich das so mache. Und dann hat wirklich das research board entschieden, dass ich die Arbeit, aufgrund der bereits existierenden Vorarbeit, Vorträge und Publikationen. so fertig stellen kann. Es hieß, das ist doch interessant, lasst ihn halt das fertig machen. Aber die waren nicht begeistert, im Gegenteil… Alle suchten natürlich nach Beispielen für künstlerische Forschung. Ich würde allerdings nachträglich behaupten, dass meine Arbeit trotzdem ein  Beispiel für künstlerische Forschung ist, nur nicht in der Weise, wie sich diese Leute das vorgestellt hatten. Denn in meinem Fall war es ja so, dass die künstlerische Praxis unbedingt notwendig war um die Theorie erzeugen zu können, aber dann selbst nicht mehr Teil des Ergebnisses sein konnte. Das habe ich auch detailierter in meinem Phd argumentiert.

Download Axel Stockburgers PhD Thesis hier


Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Johanna Schaffer und Axel Stockburger, Wien 28.09. 2011

Bild: Axel Stockburger, Quake 1.0 (1998), Audioinstallation, wireless headphones, Secession, Vienna.

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