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By Johannes Porsch | Published: May 23, 2011

R.R., u.v.a

„Raymond Roussel, geboren 1877, 1933 durch eine Überdosis von Barbituraten verstorben, galt zeitlebens als Außenseiter der Literatur.“ Von der schönen Literatur wurde er – Bewunderer von Jules Verne („Ich möchte Jules Verne huldigen, dem Manne von unvergleichlichem Genie. Meine Bewunderung für ihn ist grenzenlos.“) – ignoriert. Und „selbst die Surrealisten die progressivste Avantgarde seiner Zeit, ließen es Roussel gegenüber bei pauschalen Sympathiebekundungen bewenden, weil er seine literarische Methode geheimhielt“, berichtet Hanns Grössel  in der Materialsammlung Raymond Roussel. Eine Dokumentation.

Es dauerte bis in die 1960er Jahre, dass Raymond Roussel vom Rang eines „Sekundären“ (Marcel Duchamp zufolge sei Raymond Roussel „ein ‚Sekundärer‘ in dem Sinne wie andere ‚Primäre‘ sind“) in den eines der wichtigsten Autoren der frühen Moderne erhoben wurde und sein Werk sich im Zusammenhang von Psychoanalyse, den Theorien und Praktiken des nouveau roman und poststrukturalistischer Diskurse nicht nur in seiner heutigen Bedeutung – erst im Durchgang durch die Institutionen „reiner Lektüren“ – formiert hat, sondern mehr noch ausschließlich in diesem institutionellen Zusammenhang, in der Anordnung dieser Lektüren, gleichsam als „‚Nachschöpfung‘, als ‚Neuausgabe‘ des ursprünglichen ‚Schöpfungsaktes‘“ durch andere, lesbar wurde.

1963 schreibt Michel Foucault: „Bei der Lektüre seines Werks wird uns nichts versprochen. Nur innerlich wird das Bewusstsein verbindlich, dass wir beim Lesen all dieser aneinander gereihten und glatten Wörter der ungreifbaren Gefahr ausgeliefert sind, andere Wörter zu lesen, die andere und doch dieselben sind. [...] Jedes Wort ist zugleich belebt und gefährdet, erfüllt und entleert durch die Möglichkeit, dass es da noch ein zweites Wort gäbe – dieses oder jenes oder weder das eine noch das andere, sondern ein drittes, oder nichts.“

Vom Gefühl einer ungreifbaren Gefahr scheint Alain Robbe-Grillet nicht beschlichen worden zu sein, als er ebenfalls 1963, das schriftstellerische Vermögen Raymond Roussels beurteilt. „Er hat nichts zu sagen, und er sagt es schlecht“, befindet er – einem „Lieblingsausdruck“ traditioneller Literaturkritik folgend – über das „dunkle und enttäuschende“ Werk Raymond Roussels, dessen Dunkelheit insofern enttäusche, als es kein Geheimnis enthalte.

Vielmehr – so Alain Robbe-Grillet – sei diese Dunkelheit „exzessive Transparenz“, eine „totale Durchsichtigkeit, die weder Schatten noch Reflexe bestehen lässt.“

Er stellt fest: „Das läuft in der Tat auf eine Malerei mit lauter Täuschungseffekten hinaus.“ Und weiter: „Keinerlei Transzendenz, keine tiefere humanistische Bedeutung lassen sich bei den Serien von Objekten, Gesten und Ereignissen anbringen, die seine Welt vom ersten Blick an bilden.“ Diese „Teile haben niemals irgendeinen ‚Gehalt‘, keinerlei Tiefe [...] es handelt sich immer ganz eindeutig um konventionelle Gefühle [...] anerkannte symbolische Bedeutungen und verbrauchte philosophische Vorstellungen. Zwischen der absoluten Sinn-Losigkeit und dem abgedroschenen Sinn bleiben abermals nur die Sachen selbst, die Objekte, Gesten usw.“

So ortet zwar auch Alain Robbe-Grillet auf jeder Seite des Rousselschen Werks Fallen, aber „man führt uns vor, wie sie funktionieren“, und es zeigt, „wie man gerade nicht ihr Opfer wird“: „Nach dem Rebus kommt immer die Erklärung, und alles kehrt in seine Ordnung zurück. Das ist so weit getrieben, dass die Erklärung ihrerseits überflüssig wird.“ Doch werden die LeserInnen bei zwangsläufig folgender Enttäuschung über „Rätsel, die ins Leere gestellt werden“, über „die vollkommene Reinheit der dargebotenen Geheimnisse“ verblüfft sein. Und Alain Robbe-Grillet räumt ein: „Was sind dann aber die Formen, die uns begeistern? Und auf welche Weise wirken sie auf uns? Welches ist ihre Bedeutung?“

In der Form einer „Suche, die ihren eigenen Gegenstand durch ihre Schreibweise selbst zerstört“, findet er vorläufig – „für eine Antwort auf diese Fragen ist es sicherlich noch zu früh“ – eine Möglichkeit, Roussels „rein formelle Art“ des Schreibens als eine „Maschine zum Reproduzieren und Modifizieren“ zu beschreiben. In einer vollkommen mechanischen Prosa, „die vom einfältigen Abschnurren überwechselt zu schwerfälligen, mißklingenden Verschachtelungen“, erfolgt Zerstörung durch reproduzierende Darstellung – in Plattheit, purer Beschreibung, abgenutzten Metaphern, die in ihrer Mechanik jedoch eine „flache und diskontinuierliche Welt“ entstehen lässt, „indem jedes Ding nur auf sich selbst verweist“, eine kristalline Welt, „die wir nicht mehr verlassen können“.

„Kristallin“ – so sagt Alain Robbe-Grillet– ist eine Beschreibung, „die ihr eigener Gegenstand ist“ und ihn „zugleich ersetzt, erschafft und tilgt, die ständig neuen Beschreibungen Platz macht, die den vorangehenden widersprechen, sie verschieben oder modifizieren. Hier ist es die Beschreibung selbst, die den einzigen, zersetzten und vielfältigten Gegenstand ausmacht.“

Während ich in den wenigen heute zugänglichen Büchern Raymond Roussels lese, denke ich mir: Ich kann Raymond Roussels Werk „als solches“ nicht lesen. Und während ich „ich kann Raymond Roussels Werk ‚als solches‘ nicht lesen“ schreibe, frage ich mich, worauf das Nicht des „nicht lesen“ abhebt. Ist „nicht lesen“ Negation von lesen oder „nicht lesen“ eher Prädikat einer Negation, oder ist „nicht lesen“ als Können ein Vermögen: das Ausführen von Negativität, einer Qualität, die dieses Werk durch Lesen hervorbringt?

Wenn ich die Vorstellung des Lesens eines Werkes „als solches“ bezweifle, beginne ich bei „als solches nicht“ und bejahe damit eine Übereinkunft, die ein Werk – egal mit welchen gambits es autonom gesetzt ist – als immer schon heteronom bestimmt behauptet: als das Zusammenwirken von Effekten von Performanzen von Autorenschaft, von Produktion, Rezeption und Distribution, der Positionierung von Aussagen in Zusammenhängen, deren Äußerungsgehalt durch Zusammenhänge – von außen – hergestellt wird.

„Das Kunstwerk  als werthaltiges symbolisches Objekt“ existiert laut Pierre Bourdieu nur, „wenn es gekannt und anerkannt ist“. Wenn es „von Betrachtern, die mit der dazu erforderlichen ästhetischen Einstellung und Kompetenz ausgestattet sind, gesellschaftlich als Kunstwerk instituiert ist“. Diese Feststellung trifft nun auf das Werk Roussels in besonderer Weise zu, da Raymond Roussel sein Werk im Glauben an dessen Substanzialität in streng verschwiegener Autonomie erscheinen ließ. Sich über die Regeln und Ökonomien des literarischen Betriebes seiner Zeit hinwegsetzend –  oder sie schlicht und einfach nicht erkennend? – veröffentlichte er über drei Jahrzehnte hindurch auf eigene Kosten seine Romane und brachte sie als Boulevard-Theaterstücke zur Aufführung; ohne sie jedoch in der Struktur des sozialen Raumes, in dem er sich einen ausgezeichneten Platz einnehmen sah, zu situieren.

Gewiss, in diesem Manöver zeichnet sich das Selbstverständnis eines Angehörigen der obersten Pariser Gesellschaftsschicht des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ab, jedoch in einer Form von Subjektivität, die in ihrer neurotisch-pathologischen Verfasstheit eben dieses Selbstverständnis in einem Mechanismus des Zwangs – der konservative Großbürger und Milliardär Roussel begann im Lichte des Ruhmes sein schriftstellerisches Werk zu schreiben – vorführt und weniger komisch denn tragisch in sich zusammenfallen lässt. Während der Arbeit an seinem ersten in Alexandriner-Versform verfassten Roman La doublure war er von einem „Gefühl weltweiten Ruhms“ erfüllt:

„Dieser Ruhm war eine Tatsache, eine Feststellung, eine Empfindung, ich hatte den Ruhm. [...] Was ich schrieb war von Strahlungen umgeben, ich zog die Vorhänge zu, weil ich Angst hatte, der kleine Spalt könnte die leuchtenden Strahlen, die von meiner Feder ausgingen, nach außen dringen lassen. [...] Ich mochte noch so viele Vorkehrungen treffen, Lichtstrahlen drangen aus mir hervor und durchquerten die Wände, ich trug die Sonne in mir und konnte dieses ungeheure Blitzen meiner selbst nicht verhindern“, berichtet der Psychiater Pierre Janet, in direkter Wiedergabe der Rede seines Patienten, den er in Anlehnung an die Hauptfigur des Rousselschen Romans Locus Solus Martial nennt.

Den Glauben an eine aus dem Gesellschaftlichen herausgehobene Position „an und für sich“ bekräftigend, zitiert Raymond Roussel im Gespräch mit Pierre Janet Henri Bergsons Énergie spirituelle: „Um sich zu bestätigen, sucht man Zustimmung, und um die vielleicht unzureichende Lebenskraft des eigenen Werkes zu unterstützen, möchte man es mit der warmen Bewunderung der Menschen umhüllen [...]. Wer aber sicher, völlig sicher ist, ein lebensfähiges und dauerhaftes Werk hervorgebracht zu haben, der hat mit Lob nichts mehr zu schaffen und fühlt sich über den Ruhm erhaben: weil er weiß, daß er ihn hat, und weil die Freude, die er empfindet, eine göttliche Freude ist.“

Der „Ausdrucksimpuls“ der Subjektivität Roussels scheint vorderhand nicht auf illusio zu gründen – einem „kollektiven Glauben“ an die Wirklichkeit, die Logik, die Ökonomien und Ordnungen des Literaturbetriebes, an die seinem „Spiel immanenten Spielregeln“, „einer Art spezifischem, juridischem wie kommunikativem Code, dessen Erkennen und Anerkennen den wahren Preis für die Zulassung“ zu diesem Feld darstellt.

Bei Roussel ist Ausdruck von einer Illusion schöpferischer Kraft motiviert, seiner, wie er  es nennt, „Einbildungskraft“: Sie verdeckt fetischhaft am „Glauben an die Wirklichkeit“ Wirklichkeit als gesellschaftlich vereinbarte Fiktion, indem sie Fiktion in eine imaginäre Wirklichkeit wendet, und so, Wirklichkeit leugnend, ihre Konventionen, die gesellschaftlich vereinbarten Fiktionen, illusio „in ein spannendes Rätsel, ein Geheimnis des Geheimnisses“ pervertierend, perpetuiert.

Er glaubt an „ein Modell künstlerischer Schöpfung, die aus dem Künstler den exklusiven Produzenten des Kunstwerks und seines Wertes macht“. Und indem er der „Sanktionsmacht, die es dem anerkannten Künstler gestattet, durch das Wunder der Signatur bestimmte Produkte zu heiligen“, huldigt, wird die Grundlage dieses Wunders–  „der kollektive Glaube an das Spiel und den geheiligten Wert dessen, was auf dem Spiel steht, Voraussetzung und Ergebnis des Spiels zugleich“ – abgespalten und verdrängt, und so „unterdrückt und verschoben“ besonders wirkmächtig:

Als „unermüdlich überladene“ Sprache eines Chiffren-Mechanismus, einer in sich kreisenden, trivialisierenden Symbolproduktion kehrt der common sense oder das offene Geheimnis der verdrängten „Ökonomien der symbolischen Güter“ wieder. Handelt es sich somit bei Raymond Roussels Werk, Produktion einer unermesslichen Verschwendung, nicht um symbolische Arbeit in Reinform? Zeichnet doch gerade das „Tabu der expliziten Formulierung“ die Ökonomien der symbolischen Güter aus, so dass es als offenes Geheimnis gelten kann, dass der common sense der Ökonomie des ökonomischen Interesses verdrängt wird, um ihn im Vollzug symbolischer Arbeit als Täuschung, Verkennung, Verneinung des Ökonomischen wiedererstehen zu lasssen.

„Wer ausspricht woran man ist, wer die Wahrheit des Tausches verkündet, macht den Tausch zunichte“, so Pierre Bourdieu, dem bei dieser Äußerung „wie beiläufig deutlich wird“, vor einem „äußerst heiklen Problem“ zu stehen: Wie etwas „ausformulieren, das sich von selbst versteht und, will man es nicht als solches zerstören, implizit und unausgesprochen bleiben muss?“ Eine Analyse „expliziter Form“ würde „Gefahr laufen, Praktiken als berechnend und interessensgeleitet erscheinen zu lassen, die sich gegen Berechnung und Interesse definieren.“ Darüber hinausgehend würde eine solche Form der Analyse in „finalistischen Zügen“ im Modus einer Bewusstseinphilosophie verfahren, selbst einer Verkennung anheim fallen, indem es Handeln als „das Produkt einer intentionalen Motivation versteht, eines expliziten Vorsatzes, einer expliziten Intention, die sich auf einen explizit als solchen gesetzten Zweck richtet.“

So schlägt Pierre Bourdieu vor, Ökonomien des ökonomischen Tausches und Ökonomien des symbolischen Tausches in einer wechselseitigen Implikation aufeinander zu beziehen, und definiert Wert als den „symbolischen Ausdruck der Übereinkunft über den Wechselkurs, die in jedem ökonomischen Tauschakt gegeben ist und dessen Bedingungen im symbolischen Tauschakt“ folgendermaßen im ImIipliziten belassen werden: „Alles spielt sich so ab als ob.“

Das heißt, dass das Schweigen über die Wahrheit des Tausches ein geteiltes Schweigen ist. Dieses Schweigen teilt nicht mit: ich weiß, dass du weißt, dass … sondern: „ich bin so beschaffen, so disponiert, dass ich weiß und nicht weiß und nicht wissen will, dass du weißt und nicht wissen willst, dass ich weiß und nicht wissen will, dass du dieses und jenes machen wirst.“

Doch will hier Pierre Bourdieu nicht auf ein zweigeteiltes und wie er es nennt „mit sich zerfallenes Bewusstsein“ hinaus, das eine ihm sonst bekannte Wahrheit bewusst unterdrückt“, sondern auf ein „Verhalten“ zu sprechen kommen, das „doppelt ist ohne doppeltes Spiel“, auf Praktiken bei denen es „stets zwei Wahrheiten gibt, die schwer zusammenzuhalten, und nur im Widerspruch zwischen der subjektiven Wahrheit und der objektiven Realität zu begreifen sind.“

Dieser Widerspruch entfaltet im „alles spielt sich so ab als ob“ seine Wirkung: Einer Art individuellen Selbsttäuschung, der eine kollektive self-deception, eine kollektive Verkennung zugrunde liegt, und die in objektiven und mentalen Strukturen „verankert ist, und die Möglichkeit, anders zu denken und zu handeln“ zwar nicht ausschließt, jedoch in einer Sprache der Verneinung  zu formulieren  offen lässt. In einer  Form, die „einem alles zu sagen erlaubt, indem man sagt, dass man es nicht sagt.“ „Symbolische Arbeit besteht darin, Form zu geben und (oder um) Form zu wahren.“ Doch macht Pierre Bourdieu in dieser Wendung auch einen krisenhaften oder sogar subversiven Gehalt geltend, indem er in symbolischer Arbeit „eine Art Huldigung an die soziale Ordnung“, an die „ernsten Spiele“ und die von ihr „hochgehaltenen Werte“ und Regeln  ausmacht, die „in dem Bewusstsein erwiesen wird, dass diese nicht so ganz ernst zu nehmen sind.“

Allerdings warnen die „Regeln der Kunst“ vor einer Haltung des Bovarysmus: wem es nicht gelingt, die Realität ernst zu nehmen, weil er die Grenze zwischen historischer Fiktion und Realität abschafft, indem er Realität krisenhaft als wohlbegründete Illusion erfährt,  wird außerstande sein „das Gegenwärtige sich so zu eigen zu machen, wie es sich präsentiert“, um am jeweiligen Feld teilzunehmen, das heißt die von der Logik des Feldes aus gesehen relevanten Unterscheidungen und Entscheidungen zu treffen.

Er wird die illusio nicht aufbringen können, in das Spiel, „das die soziale Welt produziert und vorlegt“ zu investieren, es affektiv zu besetzen, „seine Wünsche zu verwirklichen und sich identifizierend einzubringen“ und das, „was dabei auf dem Spiel steht, fortwährend zu reproduzieren.“ IIlusio als interessierte Teilnahme ist demzufolge die Beziehung zwischen Feld und Verinnerlichung und Hervorbringung von im Feld virtuell angelegter Denk-, Wahrnehmungs-, und Handlungsschemata. Nur in Modus der Teilhabe an diesen Schemata und Kategorien, die als kognitive Akte sowohl Anerkennung und  Kenntnis als auch Verkennung und Täuschung  zugleich bedeuten, sind demnach Akteure dazu befähigt Setzungen zu durchzuführen, also wiederum Wahrnehmen und Erkennen und paradoxerweise Glaubensakte durch Infragestellung von Anerkennung hervorzurufen. Der Profit dieser Anerkennung, die sich aus dem Spiel mit kollektiven Erwartungen ableitet, übt symbolische Wirkung aus: Aus der Arbeit gegen und mit den Festlegungen und Bedingungen des Spiels „als Subjekt eigener Schöpfung“, wie Pierre Bourdieu sagt, hervorzugehen und weiters nicht als „reines Produkt eines Milieus zu gelten, sondern wenn schon nicht zur Umwandlung des Milieus beizutragen, so doch dessen Kräfteverhältnisse in Szene zu setzen vermögen.“ Dieses „Subjekt eigener Schöpfung“, als dessen herausragender Vertreter wohl der „anerkannte Künstler-Akteur“ gelten kann, verfügt somit über eine „magische Kraft“. Eine magische Kraft, die sich allerdings nicht „außerhalb des Netzes der Austauschbeziehungen ausfindig“ machen lässt, über die sie sich  in der beschriebenen ambiguen Dynamik von Suspendierung und Vollzug von illusio erzeugt und „innerhalb deren sie umläuft“, und sie verinnerlichend perpetuiert. Bedingung „dieses Spiel“ in Szene zu setzen, es auszuweisen, zu zeigen, aufzuführen,  „zum Gegenstand“ von Untersuchung, Beurteilung, Bewertung, oder gar von „Intervention in die Verhältnisse zu machen“, bedeutet für Pierre Bourdieu dem „komplizenhaften Einverständnis mit dieser Wirklichkeit“ Rechnung zu tragen „samt allem, was sie hervorbringt und am Leben hält“ — „wie etwa die kritischen  Diskurse“, „die Werte mitproduzieren, die sie bloß zu verzeichnen vorgeben“. Diesen Grundsatz „Praktischer Vernunft“ mit den Worten Andrea Frasers als score symbolischer Arbeit formuliert, lautet wie folgt: „To intervene in relations also always means to participate in their enactment. The object of our critiques, of our attacks is always also within ourselves. It is because these relations are inside of us, and we cant get outside of ourselves.“

Literatur:

Pierre Bourdieu. Die Regeln der Kunst. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2001. (1992)

Gilles Deleuze. Das Bewegungs-Bild. Kino 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997. (1983)

Michel Foucault. Raymond Roussel., Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1989. (1963)

Sigmund Freud. Abriß der Psychoanalyse. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 1994. (1924)

Hanns Grössel. „Nachwort“, in: Raymond Roussel. Eine Dokumentation. Hg. Hanns Grössel, München: edition text + kritik, 1977.

Griselda Pollock. Avant-Garde Gambits 1888–1893. London: Thames & Hudson, 1993.

Alain Robbe-Grillet. „Rätsel und Transparenz bei Raymond Roussel“, in: Raymond Roussel. Eine Dokumentation. Hg. Hanns Grössel. München: edition text + kritik, 1977. (1963)

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